Digital Health-Anwendungen sind auf dem Vormarsch und haben in Deutschland mit der Einführung der DiGA (digitale Gesundheitsanwendungen) einen Meilenstein erreicht. Die Anforderungen an die Zulassung einer DiGA sind hoch und es bedarf klinischer Evidenz in Form einer Studie, um die Wirksamkeit der Anwendung nachzuweisen.
Dabei geht es nicht nur um die Aufnahme in das DiGA-Verzeichnis, sondern auch um den Erfolg auf dem deutschen Markt und die Akzeptanz bei Ärzt:innen und Patient:innen. Hersteller sollten berücksichtigen, dass die erbrachte Evidenz in Form einer aussagekräftigen Studie neben einem positiven Zulassungsbescheid, auch Einfluss auf die Preisverhandlung und späteren Marketing- und Verkaufsaktivitäten haben kann. Es ist daher ratsam, bei der Planung einer Studie immer einen oder mehrere Schritte vorauszudenken.
Die Anforderungen an eine klinische Studie sind im DiGA-Leitfaden beschrieben, werden allerdings durch Präferenzen und gelebte Praxis des BfArM ergänzt. Ein Beispiel: Sind laut Leitfaden retrospektive Vergleichsstudien, Fall-Kontroll-Studien, retrospektive Kohortenstudien oder auch intraindividuelle Vergleiche möglich, hat sich die randomisiert kontrollierte Studie (RCT) als Goldstandard für die Evidenzerbringung etabliert. Ebenso ähneln sich aktuell die Größe der Studienpopulation und der Interventionszeitraum der aktuellen Studien – auch hier macht sich die gelebte Praxis bemerkbar. Bei der Vergleichsgruppe wird zumeist die Standardversorgung oder die Nichtbehandlung herangezogen und nur sehr selten auf eine Kontroll-App (bspw. mit begrenztem Funktionsumfang) zurückgegriffen.
Die Entscheidung zum Studiendesign sollten vor Antragsstellung oder Start der Studie wohl überlegt und im bestens Fall mit dem BfArM abgestimmt sein. Dabei sind insbesondere folgende Erfahrungswerte mit einzubeziehen:
- Zielsetzung: Es ist wichtig, die positiven Versorgungseffekte, welche letztendlich gezeigt werden sollen, bereits vor Studienbeginn klar zu definieren. Der DiGA Fast Track bietet zwei verschiedene Möglichkeiten, um diese nachzuweisen: Der medizinische Nutzen oder die positive Struktur- und Verfahrensverbesserung (pSVV). Unter dem medizinischen Nutzen sind klassische Endpunkte wie die Verbesserung des Gesundheitszustands oder der Lebensqualität, wie auch die Verkürzung der Krankheitsdauer zu verstehen. Der pSVV stellt eine neue Form der Evidenz dar und umfasst Endpunkte wie die Verbesserung der Gesundheitskompetenz, Patientensouveränität oder Adhärenz. Die Erfahrung zeigt, dass die Mehrheit der DiGA den Nachweis eines medizinischen Nutzens ins Auge fasst. Einzige Ausnahme ist die Onkologie-DiGA Cankado, die im Rahmen ihrer aktuell laufenden klinischen Studie, ausschließlich die Verbesserung der Gesundheitskompetenz evaluiert. Auch eine Kombination aus medizinischem Nutzen und pSVV ist denkbar.
- Patientenpopulation: Geeignete Patientengruppen sind ein wichtiger Faktor für den Erfolg einer Studie. Hierbei sind auch Subgruppen nicht außer Acht zu lassen, da die Erfahrungen aus der Vergangenheit gezeigt haben, dass Signifikanz bspw. auch in männlichen und weiblichen Subgruppen nachgewiesen werden muss. Dies ist insbesondere bei der Größe der Studienpopulation zu berücksichtigen.
- Studiendesign: Auch beim Studiendesign können bereits heute einige Learnings aus der Praxis berücksichtigt werden. Für DiGA-Hersteller geht für eine erfolgreiche Aufnahme bzw. einen Verbleib im Verzeichnis nach der Erprobungsphase kein Weg an einer randomisiert kontrollierten Studie vorbei. Diese Studienform kann bspw. durch weitere Evidenz wie Metaanalysen ergänzt werden. Es gibt außerdem erste Hinweise, dass nach einer erfolgreichen Aufnahme Real World Daten genutzt werden können, um eine Anwendung für weitere Erkrankungsbilder oder Patientengruppen zu ermöglichen.
- Zeitplanung: Eine realistische Zeitplanung ist insbesondere für vorläufig aufgenommene DiGA von besonderer Bedeutung. Sie haben im Rahmen des DiGA Fast Tracks ein Jahr Zeit, um ihre Studie durchzuführen und die Ergebnisse dem BfArM vorzulegen. Dass dies eine straffe Timeline ist, wird deutlich, wenn man sich die bisherigen vorläufigen Aufnahmen anschaut: Auch nach über zwei Jahren ist es keinem Hersteller gelungen seine Erprobungsphase innerhalb von 12 Monaten abschließen. Die meisten von ihnen haben eine Verlängerung der Erprobungsphase um 3-12 Monate erhalten. Eine Garantie gibt es hierfür allerdings nicht, wie die Streichungen der Diabetes-DiGA ESYSTA und Schlaganfall-DiGA Rehappy verdeutlichen.
Unser Learning bei Flying Health: Eine umfassende und frühzeitige Analyse der Anforderungen und Potenziale einer Studie kann den zukünftigen Erfolg einer DiGA entscheidend beeinflussen. Dabei sollten nicht nur die Anforderungen des DiGA Fast-Track-Prozesses berücksichtigt werden, sondern auch die Anforderungen potenzieller Investoren und Kunden – in diesem Fall Ärzt:innen und Patient:innen.