Innovationen schnell und umfassend in das deutsche Gesundheitssystem zu integrieren, das war das Ziel von Jens Spahn mit seiner Gesetzgebung zum DiGA-Fast-Track im Jahr 2019. Auch viele Digital Health Startups hatten sich erhofft mit dem DiGA Fast Track einen schnellen und vergleichsweise niedrigschwelligen Zugang zur deutschen Regelversorgung zu erhalten. Aber hat sich diese Haltung nach über zweieinhalb Jahren wirklich bestätigt?
Ein Blick auf den DiGA-Fast-Track-Prozess beim BfArM verrät mehr: Wirft man einen Blick in den DiGA-Leitfaden, sind die Schritte und damit verbundene Timeline – zumindest in der Theorie – klar definiert:
- Vorbereitung auf die Antragsstellung: Nachdem der Hersteller sich seiner Market Access Strategie bewusst ist und selbst – oder mit externer Hilfe – überprüft hat, ob die DiGA-Kriterien für seine Anwendung zumindest in der Theorie erfüllt sind, empfiehlt sich ein Beratungsgespräch mit dem BfArM. Hierbei soll es darum gehen, offene Frage zu klären, die Meinung des BfArM zu berücksichtigen (bspw. in Hinblick auf Studien) und eine persönliche Beziehung aufzubauen. Die Möglichkeit für ein Beratungsgespräch kann vielfach in Anspruch genommen werden, sollte aber durch den Hersteller gut vorbereitet sein, da es mit Kosten einhergeht.
- Antragsstellung: Sind alle Fragen weitestgehend geklärt, notwendige Anpassungen vorgenommen und die benötigten Unterlagen (bspw. Studienkonzept) vorbereitet, geht es an die Antragsstellung auf Zulassung. Dieser muss digital über das Online-Portal des BfArM ausgefüllt und eingereicht werden (Link).
- Formale Prüfung: Im nächsten Schritt prüft das BfArM den Antrag auf Vollständigkeit und formelle Richtigkeit. Für diese Prüfung wurden dem BfArM 14 Tage eingeräumt. Bei Bedarf können bereits an diesem Punkt weitere Informationen und Dokumente anfordern, die der Hersteller innerhalb von drei Monate über das Antragsportal nachreichen kann.
- Bewertungszeit: Ist der Antrag vollständig, läuft die Zeit: Das BfArM hat nun drei Monate Zeit, die DiGA-Aufnahme zu prüfen. Hierbei werden sowohl die allgemeinen Anforderungen wie auch der Nachweis der positiven Versorgungseffekt (bei dauerhafter Aufnahme) oder das Evaluationskonzept (bei vorläufiger Aufnahme) genaustens geprüft. Am Ende dieses Prüfprozesses steht der Bescheid über Aufnahme oder Ablehnung des Antrags. Bei einer Entscheidung zur Aufnahme wird der Hersteller noch am selben Tag im Verzeichnis gelistet und die DiGA ist somit verordnungsfähig.
Rechnet man diese Zeit zusammen, scheint es, als wäre eine Aufnahme in das Verzeichnis innerhalb von vier bis fünf Monaten problemlos möglich. Doch die Realität sieht für viele potenzielle DiGA-Hersteller ganz anders aus:

Der Prozess, der in der Theorie einfach erscheint, birgt viele Herausforderungen und Hürden und ist dabei länger, anstrengender und ressourcenintensiver als zunächst erwartet – insbesondere, wenn das Ziel eine dauerhafte Aufnahme ist. Hier sind die häufigsten Zeitfresser im Prozess:
- Die strategische Frage: Während der DiGA-Fast-Track zu Beginn als DER Marktzugang für digitale Lösungen gehandelt wurde, zeigt sich, dass er nur für eine gewisse Gruppe an Anwendungen in Frage kommt. Dies gilt es frühzeitig zu evaluieren und dabei ein besonderes Augenmerk auf Evidenz, Patientengruppe und Einbindung des Arztes zu legen. Früh stellen sich Fragen wie: Kann ich meine Endpunkte in einer klinischen Studie nachweisen? Stehen validierte Fragebögen zur Verfügung? Welche Kontrollgruppe kann ich heranziehen? Kann eine gesicherte Diagnose gestellt werden? Funktioniert meine Lösung als rein digitale Anwendung? Um alle diese Fragen zu beantworten, sind Zeit und Expertise zwei unabdingbare Faktoren.
- Die Bürokratie des Antragsprozesses: Einen Antrag zu stellen erscheint zunächst einfach. Die Tücke liegt dabei allerdings im Detail und die Anforderungen sind seit der Geburt des DiGA-Fast-Tracks deutlich gestiegen: Nicht nur müssen die Hersteller alle 165 Fragen der allgemeinen Anforderungen mit „ja“ beantworten, sondern auch das Studienkonzept muss bereits stichhaltig sein. Nicht zu unterschätzen ist auch die systematische Datenauswertung, die für eine vorläufige Aufnahme nötig ist und dabei in Umfang und Detailtiefe stark an eine Vorauswertung der eigentlichen klinischen Studie erinnert. Und auch bei der dauerhaften Aufnahme hat sich die retrospektive Vergleichsstudie – und damit ein hohes Evidenzlevel – als Goldstandard etabliert.
- Die Bewertungszeit beim BfArM: Auch wenn für die Bewertung eine feste Zeit von drei Monaten vorgesehen ist, sollte dies auf keinen Fall der Zeitrahmen sein, der für eine Aufnahme durch den Hersteller eingeplant ist. Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass ein Antrag immer mit Rückfragen und Nachforderungen in Form von Mängelschreiben des BfArM einhergeht. Dabei kommt es immer wieder vor, dass eine Bearbeitung durch den Hersteller innerhalb der verbleibenden Zeit nicht möglich ist und ein Rückzug des Antrags nötig wird.
- Der erneute Antrag: Bei einem erneuten Einreichen startet der Prozess von Null und nötige Anpassungen, Beratungsgespräche und erneute Mängelschreiben können die Folge sein. Auch das BfArM hat erneut drei Monate Zeit, um den Neuantrag zu prüfen.
So können aus vier bis fünf Monaten schnell ein bis zwei Jahre werden, um von der ersten Strategie bis zur finalen Aufnahme einer DiGA zu gelangen. Für Hersteller ist es daher umso wichtiger, diese realistische Timeline im Auge zu behalten, um die Finanzierung sicherzustellen und die benötigten Ressourcen richtig zu kalkulieren. Solide strategische Vorarbeit und Marktkenntnis sind dabei der Grundstein für einen erfolgreichen Markteintritt. Auch die Zusammenarbeit mit erfahrenen DiGA-Antragstellern und -Herstellern kann dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen und Rückschläge zu vermeiden. Werden diese Herausforderungen berücksichtigt, ist und bleibt der DiGA-Fast-Track ein vielversprechender Ansatz für digitale Gesundheitsanwendungen, um schnell im deutschen Gesundheitswesen Fuß zu fassen.